Warum Farbfilter für Schwarzweißfotos?

In der guten alten Zeit konnte man ja nicht so lustig in der „Nachbearbeitung“ an den Farben herumregeln wie heute in Photoshop & Co. Schon garnicht, wenn man auf Schwarzweißfilm fotografierte. Der konnte ja keine Farben. Echter Schwarzweißfilm reagiert ja nur auf Helligkeitswerte und dann je nach Sensibilisierung, noch nicht mal auf alle Farben. Es gab Material, das z. B. für Rot blind war. Und wie ein Schwarzweißfilm Farben wiedergab, die durch unterschiedliche Buntwerte für unser Auge klar zu differenzieren waren, aber praktisch den gleichen Helligkeitswert hatten war zumindest ein anspruchsvolles Thema.

Kluge Menschen kamen irgendwann auf die Idee, dass man dem Filmmaterial ja vorgaukeln könne, dass bestimmte Farben dunkler seien, als sie in Wirklichkeit (ein schwieriger Begriff, dieses „Wirklichkeit“) waren. Für Physiker und andere schräge Vögel, ist das wahrscheinlich nix Neues, aber es löste viele Probleme.

In meinem genialen Beispielfoto können wir durch die Farbigkeit den grünen Salat und die gelbe Lasagne super trennen. In der neutralen Schwarzweißumsetzung seiht das aber schon weniger deutlich aus. Grün und gelb-braun-orange haben fast den gleichen Grauwert. Der blaue Tellerrand ist auch nicht weit davon entfernt. Hmmm…was tun.

Man konnte natürlich beim Abziehen des Negativs auf Fotopapier ein bisschen durch Nachbelichten und Abwedeln („dodge and burn“) an den Helligkeiten drehen, aber das war eher mühselig und nur aufwändig zu reproduzieren. Wer sich Labornotizen aus der Zeit ansieht, weiß, was ich meine.

Original

Original

Schwarzweißumsetzung neutral

Schwarzweißumsetzung neutral

Die Lösung

Die Physik hinter dem praktikablen Lösungsansatz sagt: Ein farbiger Filter lässt Licht seiner eigenen Farbe durch und blockiert die Wellenlängen der Komplementärfarbe.

In der Praxis heißt das, wenn man sich eine gelbe Glasscheibe vor die Linse schraubt, wird alles was Gelb ist heller und alles was Blau (weil Komplementärfarbe) ist dunkler. (Zumindest auf dem finalen Fotoabzug, auf dem Negativ ist es umgekehrt, weil eben „negativ“).

Also müsste auf unserem Beispielfoto mit so einem Gelbfilter alles Gelbe (die Lasagne) relativ heller werden und alles Blaue (der Tellerrand) dunkler werden. Schauen wir uns mal das Resultat mit dem Gelbfilter an und siehe da: Passt!

Je intensiver der Filter gefärbt war, desto deutlicher der Effekt. Orange und Rot sind daher die nächsten Filterstärken.

Schwarzweißumsetzung mit Gelbfilter

Schwarzweißumsetzung mit Gelbfilter

Schwarzweißumsetzung mit Rotfilter

Schwarzweißumsetzung mit Rotfilter

 

 

 

 

 

 

 

Für welche Einsatzzwecke eignen sich die warmtonigen Farbfilter also? Klassisch werden sie gerne dazu eingesetzt, blaue Elemente dunkler und damit dramatischer darzustellen. Was ist blau und dramatisch? Himmel, klar.

Jetzt gibt es aber auch Farbfilter in kalten Farben. Wozu dienen die?

Grün macht Grünes heller. Das ist ein schöner Effekt, wenn man in der Natur viele verschiedene Grüntöne fotografiert, die werden dann auf dem Schwarzweiß-Negativ deutlich besser getrennt.

Blaufilter betonen Dunst. Das klingt erstmal bescheuert, steigert aber u. U. die Tiefenwirkung in einem Bild, weil die Fernsicht beeinträchtigt wird. Bei Hauttönen, die mit warmen Licht aufgenommen werden wird die Wiedergabe natürlicher, allerdings werden Hautunreinheiten betont. Gelbliches Grün und Gelbtöne werden dunkler, wie man an dem Lasagnefoto gut erkennen kann.

Schwarzweißumsetzung mit Grünfilter

Schwarzweißumsetzung mit Grünfilter

Schwarzweißumsetzung mit Blaufilter

Schwarzweißumsetzung mit Blaufilter

 

Gibt’s mit einem Farbfilter auch Nachteile?

Klar. Wo viel Licht ist ist auch Schatten (Wahnsinns Fotografie-Analogie!). Jeder dieser Farbfilter entfernt einen Teil des Lichtspektrums. Daher wird die Lichtmenge die auf den Film fällt reduziert, was wiederum in einer längeren Belichtungszeit (oder weiter geöffneten Blende) resultiert. Wenn man wie ganz früher mit einem externen Belichtungsmesser arbeitet, muss man schon ziemlich genau wissen, was da jetzt passiert.

Aber was viel schwerwiegender ist: Man guckt ja durch eine rot-, grün-, blaugefärbte Scheibe, das macht natürlich die Wahrnehmung des Motivs viel schwieriger und einem Autofokus könnte das u. U. auch die Arbeit schwer machen.

Umfangreiche Infos zu dieser Thematik findet Ihr unter: Filter in der analogen sw-Fotografie

Alle Fotos in diesem Artikel wurden mit NIK Silver Efex umgesetzt. Die Filterstärke liegt jedesmal bei 100%.

In einem zukünftigen Artikel werde ich natürlich auch mal beschreiben, wie man eine ordentliche Schwarzweißumsetzung ohne Plugins hinbekommt.

Ach ja. Farbfilter vor eine Digitalkamera zu klemmen bringt eher nix. Der Sensor rechnet ja mit einer natürlichen Helligkeitsverteilung, um dann ordentliche Farben zu berechnet (ein Fotosensor kann ja auch nur Helligkeiten messen, die dann nach einem ausgefuchsten Verfahren in Buntwerte umgesetzt werden). Ein Rotfilter z. B. würde dieses Gefüge durcheinanderbringen. Aber im Zweifelsfall, wenn ihr so einen Filter zufällig habt, einfach mal ausprobieren, ob‘ sich daraus ein gutes Schwarzweißbild erzeugen lässt. Vielleicht wird’s ja sogar Kunst.

Viel Spaß beim Probieren.