Gestern waren wir im „Théâtre de la Photographie et de l’Image“ in Nizza. Manchmal hat man im Urlaub ja wirklich Glück und kann eine außergewöhnliche Ausstellung besuchen. In Nizza wurden Bilder des 2004 verstorbenen Fotografen Henri Cartier-Bresson. Mein absoluter Held. Von keinem anderen Fotografen sind so viele Bilder dabei, wenn man Fachleute die beliebten „10 besten Fotos des letzen Jahrhunderts“-Listen zusammenstellen lässt.
Ich hatte hier zum ersten mal Gelegenheit, die Fotos des Mannes der den Begriff „der entscheidende Augenblick“ (Le Moment décisif) geprägt und gelebt hat. Es war ehrfurchtsgebietend. Sein Werk ist schwarzweiß, Farbe hat er als Ausdrucksmittel abgelehnt, seine Motive gehen von den Großen und Mächtigen bis hin zu den Kleinen dieser Welt, von großen Szenen zu fast trivialen Settings. Aber wer genau hinschaut – und das sollte man bei HCB – entdeckt den Zauber im scheinbar Belanglosen.
Er sagte: „Die Fotografie ist ein Handwerk. Viele wollen daraus eine Kunst machen, aber wir sind einfach Handwerker, die ihre Arbeit gut machen müssen.“
Und so lebte er seine Arbeit. Für ihn galt, dass das Schwierigste am Fotografieren sei, dass man Sehen müsse – nicht nachdenken, bewerten oder verstehen, einfach sehen – das ist so schwierig.
Alle seine mit der Leica gemachten Bilder sind mit dem feinen schwarzen Rand abgezogen, der beweist, dass das komplette Negativ zu sehen ist, kein Auschnitt, keine nachträgliche Korrektur. Für mich als Photoshopper ein Beweis seines Ausnahmestatus. Nur aus ganz wenigen der gezeigten Motive könnte man frevlerischerweise der Meinung sein, dass ein kleiner Eingriff dem Bild durch Entfernen eines unglücklichen Elementes am äußersten Bildrand zur Perfektion verholfen hätte. Bei den meisten Fotografen die ich kenne, ist das genau anders: ohne massive nachträgliche Eingriffe bleibt nur Schrott.
Die Fotografen damals hatten noch ganz andere Probleme zu meistern, als wir heutzutage: langsames Filmmaterial, externe Belichtungsmessung (wenn überhaupt), kein Autofokus. Seid ehrlich, wer von uns, würde ohne den ganzen technischen Firlefanz noch ein ordentliches Bild hinbekommen. Wer jetzt „Ich!“ schreit, dem leihe ich gerne mal meine alte Pentax mit Lichtschachtsucher und Festbrennweite und eine Rolle Ilford FP4 mit 36 Aufnahmen.
Und kommt mir nicht mit dem aktuellen Streetphotography-Gedöns. In der Stadt rumlaufen und 400 halbwegs blind ausgelöste Zufallsbilder zu machen ist keine Herausforderung. Wenn National Geographic am nächsten Werktag eine 8seitige Bildstrecke von dir sehen will musst du anders arbeiten.
Es bedarf – wie Cartier-Bresson sagte – Kopf, Auge und Herz in dieselbe Linie zu bringen.
Mein Motto für 2016:
Macht weniger, aber besser.