„Nichts zerstört den Zauber einsamer Natur mehr, als die Anwesenheit großer Menschenmengen.“

Sie kommen

Sie kommen…

Es war glatt. Die Gischt des Wasserfalls gepaart mit den fies niedrigen Temperaturen hatte über Nacht für einen Eispanzer auf dem steinigen Gelände gesorgt.

Das hielt aber einige wenige Verrückte nicht davon ab das „Bild ihres Lebens“ direkt vor dem Wasserfall zu machen. Allen voran ein asiatisches Hochzeitspaar, das willens ist, sich spektakuläre Bilder mit einer respektablen Lungenentzündung zu erkaufen. Anders kann ich mir die mit einem dünnen roten Kleidchen und High-Heels (!) bekleidete Braut und den Ehemann im Smoking nicht erklären. Ich komme nur mit Hilfe eines stabilen Stativs als Gehhilfe halbwegs (wenn auch unwürdig) vorwärts, die beiden tänzeln leichtfüßig über die dick vereisten Flusskiesel. „Ninja-Wedding“ wahrscheinlich.

Während wir fotografieren, kommen auch schon die ersten Reisebusse an. Zeit für einen Ortswechsel.

Wreck-Watching

Der zweite Hot-Spot des Tages ist „das Flugzeugwrack“. Island-Fotografen wissen gleich, was ich damit meine, allen anderen sei`s erklärt: Am 24.November 1973 hatte der Pilot einer Douglas Super DC-3 Glück im Unglück, als er sein Flugzeug auf dem schwarzen Vulkansand in Küstennähe notlanden konnte. Alle Crewmitglieder überlebten. Was sie nicht wussten: sie hatten an diesem Tag eines der spektakulärsten Fotomotive der Insel geschaffen. Das Flugzeugwrack hat heute keine Flügel mehr (die wurden angeblich vom Besitzer des „Landeplatzes“ verkauft) und sieht so noch viel mehr aus wie die Kulisse in einem Endzeitthriller. Schwarzer Lavasand und silbernes Wrack – ikonischer geht’s eigentlich nicht mehr.

Flugzeugwrack Island 1

Flugzeugwrack Island 1

Am Vorabend hatten wir die Zufahrt bei einer schnellen Suche nicht gefunden, heute sind wir dank Internet besser vorbereitet. Es sollte eine markierte „Gravel road“ geben, der Eingang aber schwer zu finden sei. War wohl mal so. Heute liegt am Eingang der „Gravel road“ ein komfortabler Parkplatz. Der Weg bis zum Flugzeug kann aber nicht befahren werden. Also, das ganze Gepäck aus dem Auto wuchten und zum Wrack tragen: drei komplette Kameraausrüstungen, eine Drohne, drei Stative, eines darunter ein veritables Videostativ, zwar aus Karbon, aber dennoch 7 Kilo schwer. Das Flugzeug liegt ca. 3 km vom Parkplatz entfernt. Also gut 30 Minuten Schlepperei – hin und zurück. Notiz an mich: nächstes mal einen Sherpa mitnehmen.

Schlepperei

Schlepperei

Die Location toppt allerdings auch praktisch alles. Je nach Tageszeit steht güldenes Sonnenlicht auf dem Flugzeugwrack (oder eben nicht) und beschafft uns die unglaublichsten Kontraste. Schwarzer Sand, blauer Himmel beleuchtetes Wrack. Wahnsinn. Wahnsinn war allerdings auch der Wind, der Simons Drohne praktisch vom Himmel bläst. Keine Chance auf kontrollierte Luftaufnahmen. Und aus Jux über 3000 Euro an Fluggerätwert zu schreddern macht echt keinen Sinn – wir haben ja noch viel vor.

Auf dem Rückweg kommt uns das Brautpaar vom Morgen entgegen. Sie immer noch im roten Kleid. Tapfer? Doof? Weiß nicht so recht.

Was ich nicht verstehen kann ist, dass die Menschen, die das Wrack besuchen es durch ihr dummes Verhalten (draufrumklettern, Teile abbrechen, Graffiti draufmalen) immer mehr beschädigen. Aber das geht ja wohl jeder schönen Ecke der Natur so. Wenn Dummheit Gas geben würde, müssten manche Menschen bergauf bremsen.

Vik i Myrdal

Dritter Stopp des Tages: Vik i Myrdal. Nicht allzu weit vom Flugzeugwrack weg liegt die regenreichste Ecke Islands: Vik mit seinem sagenhaften schwarzen Strand – angeblich einer der 10 schönsten Strände der Welt. Aber auch hier gilt: Regen + Kälte = Schnee. Wo eben noch blauer Himmel herrscht fängt es hinter einer Kurve an zu schneien. Da wir schon heftig durchgepustet waren, ist der nächste Stopp kein Fotostopp. In Vik gibt es so ziemlich alles, was der Islandbesucher braucht, Tankstelle, Touriinfo, Geschäfte, Sehenswürdigkeiten… und das bei 296 Einwohnern. Uns verheißt das „Halldorskaffi“ das was wir suchten: Wärme und eine Mahlzeit.

Heute gelernt: Egal wie unscheinbar Restaurants in Island von außen aussehen innen sind es meist stylisch-schnuffige Stuben, die leckeres hausgemachtes Essen anbieten. So auch hier. Burger und Bier, was will Mann mehr? Vielleicht noch ein Stück von dem sensationell aussehenden Kuchen, aber der passte leider nicht mehr rein. Schade, aber wir kommen wieder.

Der Schnee hat mittlerweile tüchtig zugelegt. Wir, frisch gestärkt, wollen aber auf jeden Fall noch ein paar Bilder mitnehmen. Im fast schon gemeinem Schneetreiben entstanden ein paar der schönsten Bilder unserer Reise: Die Kirche von Vik und die Ringstraße von Vik Richtung Skogar. Feine grafische Motive, die ohne Schnee nie diese Wirkung hätten. Den schwarzen Strand haben wir an diesem Tag nicht gesehen.

Kirche von Vik i Myrdal

Kirche von Vik i Myrdal

Warum wir uns so was antun? Im Schneetreiben das schützende Auto verlassen? Weil man ahnt, dass da draußen ein Bild ist und dieses Bild gibt es nur jetzt. Beim Fotografieren gilt mehr noch als bei den meisten anderen Tätigkeiten: „Du kannst nicht „zurückkommen.“ Das Fotografenleben ist wie ein Flohmarkt: Was es jetzt gibt, gibt es später nicht mehr. Man kann nie zweimal in den gleich Fluss steigen.

Ringstraße Island

Die Ringstraße nach kurzem Schneegestöber

Auf dem Rückweg noch einen typisch isländischen Sonnenuntergang mit Gletscherabfluss und Berg. Da kann man einfach nicht im Auto sitzen bleiben, egal wie heftig der Regen fällt oder die Mücken nerven.

Sonnenuntergang Island

Sonnenuntergang Island

Die Nordlichtaufnahmen vom Abend hat dann ein defekter Speicherchip gefressen. Zum Glück waren die vorherigen Aufnahmen vom Tag schon gesichert.

Notiz an mich: Backup, Backup, Backup