TAG 6
On The Road
Die längste Etappe liegt vor uns. Wir wollen heute bis Reykjavik zurück fahren. Über 400 km. Wir kommen an allen Orten noch einmal vorbei, die wir schon besucht haben. Aber wer gerne wandert weiß, die Landschaft sieht auf dem Rückweg immer völlig andes aus, als auf dem Hinweg. Da wir heute „Kaiserwetter“ haben ist der Unterschied extrem.
Die Gletscherlagune
Als erstes Ziel erreichen wir die Gletscherlagune kurz nach Sonnenaufgang. Die perfekte Zeit. Die Sonne geht über dem Meer auf und durchleuchtet das Eis, so das es grünblau leuchtet und kristallklar wirkt. Auf den Bergen im Hintergrund ist das Licht noch rosa. Perfekt. Das denken allerdings auch die gefühlt 200 anderen Besucher hier. Die meisten kommen aus Asien. Viele haben Drohnen dabei.
Dieser Ort hat seinen Platz auf der Bucketlist jedes Naturfotografen zu Recht. Cooler geht’s nicht.
Das Wasser in der Lagune ist kalt. Saukalt. Das hält einige Irre allerdings nicht davon ab, sich unter dem Johlen ihrer Freunde auszuziehen und in den See zu steigen. Das dauert normalerweise nur wenige Sekunden, dann erinnert sich das Gehirn an seine Aufgabe der Selbsterhaltung. Dann wackelt der „Schwimmer“ unter lautem Gequieke (er selbst) und Gejohle (die Kumpels) wieder unwürdig an Land. Ein Ire allerdings schwimmt mit dem Ruf „That’s for you Mommy.“ mitsamt seiner Go-Pro bis zu einer Eisscholle und zurück. Danach lässt er sich nur notdürftig abgetrocknet Simons Drohnenaufnahme seiner Tat zeigen. Tja, nur die Harten komm’n in’n Garten.
Ich glaube sowas machen auch nur Typen. Mädels haben dazu zu viel Hirn/Selbstachtung/Angst… what ever.
Die Gletscherlagune teilt sich in zwei Locations. Den Gletschersee mit großen Eisschollen und den Strand, an dem kleinere Eisstücke auf schwarzem Kies herumliegen und dicke klare Eisbrocken im Wasser treiben. Ich fand die Meeresseite beeindruckender, aber das ist nur noch der Sprung von 9.8 auf 9.9 auf der 10er-Skala der geilen Motive (10 wäre eine perfekt belichtete Aufnahme vom Yeti im Sonnenuntergang). Hier klicken die Eisbrocke beruhigend in der leichten Dünung aneinander, während weiter draußen autogroße Brocken sanft schaukeln. Sehr klasse.
Thema „Geheimtipps“
Gute Ratschläge sind immer autobiografisch. Schlechte sind angelesen oder Hörensagen. Daher halte ich mich im Allgemeinen mit Tipps zurück, weil mein Erfahren ja oft nicht die Situation meines Gegenübers berücksichtigt. Fotografen fachsimpeln aber nun mal gerne. Dabei wird oft auch über Sachen gesprochen, die man selbst nicht macht/kann/besitzt. Das ist in unserer Kleingruppe zum Glück nicht so.
Kleine Abwandlung eines John Lennon Zitats:
„Fotografie ist das was passiert, während du drinnen sitzt und Tutorials schaust.“
Bei der Weiterfahrt gelingen uns noch ein paar tolle Schüsse von Landschaften, die heute im perfekten Sonnenlicht liegen. Das beste Reisewetter ever. Am Nachmittag bleibt es sonnig, aber es wird kalt. Muss schon länger so gewesen sein, denn auf einmal liegt Schnee. Erst ein feiner Puderzuckerhauch, dann richtig erwachsener Schnee mit dickem Eis auf der Straße. Spikes machen Sinn in diesem Land.
Ich lerne: die Kamerabelichtungsautomatik macht alles richtig. Selbst im Schnee. Was nicht auf Anhieb perfekt ist, kann man dank Raw-Konvertierung immer noch perfekt machen. So muss das sein.
Bei aller Sicherheit durch die Spikereifen, sollte man aber nie vergessen, das ein Halt auf offener Strecke bei Glatteis immer gefährlich ist, weil die anderen Autofahrer einen nicht zwingend da erwarten wo man gerade ist und einen deutlich längeren Bremsweg haben als erwartet. Tot nutzt einem das beste Bild nix.
Vor Vik gibts noch einmal einen Hammer-Blick auf die berühmten Felsen. Eine Minute später hat sich die Szenerie komplett verändert. Glück gehabt.
Der Titel „Bestes Sonnenuntergangsbild ever“ geht an unsere Aufnahmen der Gezeitenlagune Holtsós. Absolut glattes Wasser mit ein paar optimal arrangierten Felsen darin. Ein Himmel mit der genau richtigen Portion Wolken, der sich perfekt darin spiegelt. Das kann man nicht kaufen.
Ich habe übrigens keine Ahnung, warum immer irgendein Idiot bei so einer Gelegenheit Steinchen hüpfen lassen muss.
In Reykjvik haben wir das teuerste Hotel unserer Reise. Das „Fosshotel“ liegt gut, hat ordentliche Zimmer und wird gerne von asiatischen Reisegruppen und wichtigen Menschen besucht. Frühstück ist auch auf internationalem Niveau. Na dann.